Freiheit und Leichtigkeit …

Meine Seite heißt nicht umsonst: „Ohne Angst in Freiheit und Leichtigkeit“. Das hat auch etwas mit meiner Persönlichkeit und meiner Geschichte zu tun. Wie du vielleicht weißt, hatte ich während meiner Arbeit an meiner Doktorarbeit selbst große Probleme mit Angst und Panik. Auch neigt einer meiner Persönlichkeitsanteile – die Fische 😊 – zu Angst und Schwere, wenn schwierige Situationen vor mir liegen. Zum Glück habe ich noch einen tatkräftigeren Persönlichkeitsanteil – den Löwen 😊 -, der mich da wieder rausholt. Ich weiß daher nur zu gut, wie sich ein Leben mit Angst anfühlt, wie sehr es einem nicht nur die Leichtigkeit nimmt, sondern auch jede Freiheit, das zu tun, was man eigentlich tun möchte.

 … und das Jahr 2021 in meinem Leben

Besonders schwer ist es, die Angst zurückzulassen, wenn die dich umgebenden Rahmenbedingungen Leichtigkeit und Freiheit fast unmöglich zu machen scheinen. Und so war mein Jahr 2021 von beiden Enden der Skala bestimmt – von Unfreiheit und Freiheit. Unfreiheit durch den durch Corona bedingten Lockdown, die politisch für nötig erachteten Einschränkungen, aber auch die Freiheit, endlich mal wieder Berlin verlassen zu können, liebe Verwandte zu treffen und mit lieben Menschen in den Urlaub zu fahren, noch dazu in ein Land, in dem von Coronahysterie absolut nichts zu merken war. Unfreiheit durch die Beschränkung der öffentlichen Wahrnehmung auf nur eine Wahrheit, Freiheit, sich dank der globalen Vernetzung zahlreiche wissenschaftliche Studien von überall her holen zu können. Schwere durch persönliche Verletzungen durch Menschen, die ihre persönliche Wahrheit höher stellten als die Beziehung, Leichtigkeit durch die Erkenntnis, meinen eigenen Weg unabhängig von den Wünschen und Interessen anderer gehen zu können.

In Summe also schrecklich und schön – vielleicht mit tieferen Tiefen als in vorhergehenden Jahren, dafür aber auch mit höheren Höhen.

Auf jeden Fall ein Jahr, das mir die Bedeutung von Freiheit und Leichtigkeit mal wieder eindringlich vor Augen geführt hat. Und gerade diese Kombination ist von Bedeutung, denn es ist aus meiner Sicht möglich, frei zu sein, aber schwer an dieser Freiheit zu tragen – auch dafür gab es in diesem Jahr genügend Gelegenheiten. Anderen ist es vielleicht gelungen, sich leicht zu fühlen, indem sie der Freiheit nicht mehr so viel Wert beigemessen haben, oder bestimmte Freiheit gegeneinander abwogen.

Ein Jahr, dessen Probleme wir mit in das neue Jahr nehmen, ist ein guter Anlaß, die Worte „Freiheit“ und „Leichtigkeit“ auf ihren Gehalt zu untersuchen und eigene Entscheidungen daran zu messen.

Freiheit – was brauchen wir dafür?

Wikipedia erklärt „Freiheit“ wie folgt: „Freiheit (lateinisch libertas) wird in der Regel als die Möglichkeit verstanden, ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Möglichkeiten auszuwählen und entscheiden zu können. Der Begriff benennt in Philosophie, Theologie und Recht der Moderne allgemein einen Zustand der Autonomie eines Subjekts.“

Soweit ziemlich einfach, oder? Wahlmöglichkeiten, zwischen denen man sich ohne Zwang entscheiden kann.

Entscheiden….

Doch das Problem fängt schon damit an, daß wir oft nur zwischen A oder B entscheiden können, was dann ganz schnell zu einer Entscheidung zwischen Gut und Böse, Hell und Dunkel, Richtig und Falsch werden kann. Das ermöglicht unserem Gehirn, sich schnell und emotional für eine der beiden Optionen zu entscheiden. Erst wenn eine dritte Möglichkeit zur Entscheidung verfügbar ist, kann unser Gehirn anfangen, die Hintergründe der drei Möglichkeiten auch rational und langsam zu durchdringen und so eine fundierte Entscheidung zu treffen.

Entscheiden an sich scheint also ein sehr schwieriger Prozeß für unser Gehirn zu sein. Denn zu viele Möglichkeiten dürfen es auch nicht sein, sonst fühlen wir uns völlig überfordert und bewegen uns gar nicht mehr. Die häufig genannte Zahl von 7 Varianten ist dabei tatsächlich ein guter Richtwert – viel mehr Wahlmöglichkeiten (maximal 14) kann unser Gehirn nicht mehr gleichzeitig verarbeiten. Werden wir vor zu viele Informationen gestellt, macht es sich das Hirn wieder einfach und reduziert auf zwei Optionen, zwischen denen dann wieder eine schnelle Entscheidung möglich ist.

… Optionen finden …

Gegen die schnelle Entscheidung zwischen A und B spricht jedoch, daß – so erlebe ich es in der Praxis oft – Menschen die Entscheidungsoptionen als Dafür- oder Dagegen-Entscheidungen bewerten. Der Kernsatz hierzu lautet: „Wenn ich mich für jemand entscheide, entscheide ich mich gegen jemand – und fühle mich schuldig.“ Gerade dieses Schuldgefühl, das durch die unterschwellige Bewertung der Entscheidungen entsteht, ist ein großes Hindernis für viele Menschen beim Treffen von Entscheidungen. Dazu kommt das – ebenfalls häufig unterschwellige – Wissen um die „erwünschte“ Entscheidung im persönlichen Umfeld. Diese Verhaltenserwartungen sind nicht nur familiär, sondern oft auch gesellschaftlich bedingt. Entscheidungen sind dann oft erst möglich, wenn man sich dieser Vorgaben bewußt wird und sie unter dem Gesichtspunkt der persönlichen Übereinstimmung bewertet. Wie ich bereits in einem früheren Blog erklärt habe (hier:), sind uns diese Vorgaben oft so unterbewußt, daß echter Spürsinn dazu gehört, sie aufzudecken.

Wie du siehst, gibt es oft sogar mehr als drei Optionen, und schon allein das Nachdenken darüber bringt oft Kriterien zu Tage, anhand derer man dann gut entscheiden kann. Die Kernfrage, die diese Kriterien hervorbringt, lautet in der Regel: „Was genau stört mich?“  (am Partner, am Job, am Impfen, um bei meinen Beispielen zu bleiben😊).

…einen freien Willen…

Und wir betrachten hier lieber nicht die neurologisch determinierte Diskussion über die Frage, ob wir als Menschen überhaupt einen freien Willen haben. (Eine gute Zusammenfassung der aktuellen Diskussionslage liest du hier:.)

… Vernunft und Tugend …

Neben den individuellen Schwierigkeiten, tatsächlich frei Entscheidungen zu treffen, kommen also auch gesellschaftliche Regeln und Zwänge ins Spiel. Und so ist dieser Widerspruch von Ordnung (der Gemeinschaft) und Freiheit (des Einzelnen) schon seit Jahrtausenden ein wesentliches Thema in der Philosophie und Staatstheorie. Grundsatz dieser Regeln ist, die Freiheit eines Einzelnen da zu beschränken, wo er die Freiheit eines anderen einschränkt. Da der Mensch ein soziales Wesen ist und immer in Gemeinschaft leben will (und muß, da er allein in der Regel weder physisch noch psychisch überleben kann), muß er für dieses Zusammenleben eine entsprechende Ordnung akzeptieren.

Was zeichnet eine solche Ordnung aus? Nach Aristoteles Vorstellung sollte ein Staat so beschaffen sein, daß er dem Gemeinwohl einer Gemeinschaft dient, die aus Ebenbürtigen besteht. Diese Ebenbürtigen hingegen sollen sich der Vernunft und Tugend verpflichtet fühlen. Auf drei Säulen ruhte die Vorstellung des Aristoteles von einem freien Menschen: Freiheit von fremder Gewalt oder innerer Furcht, eigeninitiativer Entscheidung über seine eigenen Entwicklungswege und Erkenntnis über das allgemeine Ziel der Menschen, das Aristoteles selbst in der Eudaimonia, dem guten Leben, sah (siehe meinen Blog zu Todsünden und Moral). In einer Gemeinschaft ist der Einzelne also aufgefordert, sein eigenes Handeln selbst in gewisser Weise einzuschränken, nämlich da, wo es durch Begierden und Triebe beherrscht wird.

So ähnlich sah das auch Immanuel Kant, der es sogar explizit als Freiheit verstand, daß es dem Menschen möglich ist, durch Denken und Handeln seine willkürlichen Wünsche dem Bewußtsein, der Ratio, unterzuordnen.

… das Ziel eines „guten Lebens“….

Grundsätzlich liegt den Theorien zugrunde, daß sie nur dann optimal in die Praxis übertragen werden, wenn zum einen die Angehörigen der Gemeinschaft einzeln dasselbe Ziel verfolgen wie der Staat, also ein „gutes Leben für alle“, und zum anderen diese Gemeinschaft aus im Wesentlichen Gleichrangigen besteht, die entsprechend an den Entscheidungen des Gemeinwesens beteiligt sind. Das kann man gut auch an unserem Ursprung des Wortes „Freiheit“ erkennen, das aus dem Indogermanischen über das althochdeutsche „freihals“ zu uns kam. Dieser Ursprung läßt vermuten, daß damit nicht nur die Freiheit von einem wie auch immer gearteten Joch (das über den Hals gelegt wurde) gemeint war, sondern durch diese Freiheit die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft Gleichrangiger gekennzeichnet wurde.

…, das auch das Ziel des Gemeinwesens oder Staates ist.

Und genau hier scheint heute die Verhältnismäßigkeit von Freiheit des Individuums und Ordnung des Staates zu kippen. Das Hinterfragen staatlicher Institutionen hinsichtlich ihrer Orientierung auf ein Gemeinwohl, das die Interessen der unterschiedlichen Gesellschaftsgruppen paritätisch berücksichtigt, wird von Skandalen um einzelne Politiker, die dieses Gemeinwohl zu verantworten hätten, begleitet.

Zerfasert aber die Grundannahme, daß das Gemeinwesen die Regeln so gestaltet, daß ein „gutes Leben für alle“ möglich ist, bricht auch die Verpflichtung des Individuums in sich zusammen, sich an die vom Staat verordneten Regeln zu halten. Das geschieht in der Regel dann, wenn – entgegen dem notwendigen Ausgleich der Interessen aller – ganz offensichtlich oder auch nur gefühlt die Interessen einer Bevölkerungsgruppe gegenüber einer anderen zurückgesetzt werden und die Zurückgesetzten sogar mit existentiellen Nachteilen zu rechnen haben. Die daraus resultierenden Initiativen können auf der einen Seite die Sicherheit eines Staates gefährden, vor allem wenn sie sich – wie in den USA – zu bewaffneten Vereinigungen zusammenschließen. Zum anderen können sie aber zugleich ein Symptom dafür sein, daß der Konsens zwischen den Mitgliedern der Gemeinschaft und dem Staat nicht mehr funktioniert.

Nicht nur der Bürger ist also gefragt, wenn die Situation zwischen dem Staat und einzelnen Gruppen der Gesellschaft ins Kippen gerät, sondern vor allem der Staat selbst. Es ist seine Aufgabe, die Balance herzustellen zwischen dem „guten Leben“ für alle und der freien Entwicklungsmöglichkeit jedes Einzelnen, der selbst auf die „eudaimonia“ seines eigenen Lebens hinarbeitet. Gerät diese Balance ins Ungleichgewicht, weil der Staat bestimmte Gruppen anderen gegenüber bevorzugt und diese maßgeblich in ihren Entwicklungsmöglichkeiten einschränkt, so ist dies nicht im Sinne des von vielen Philosophen beanspruchten Gleichgewichtes. Von einer Gruppe die Aufgabe ihrer freien Entwicklung zu fordern, um 100% des guten Lebens für eine andere Gruppe zu sichern, ist weder verhältnismäßig, also nicht vernünftig, noch gerecht.

Leichtigkeit – was verstehen wir darunter?

Leichtigkeit ist im Gegensatz zu Freiheit ein nicht so emotional beladener Begriff. Das aus dem mittelhochdeutschen „līhtecheit, līhtekeit, līhtikeit“, das seinerseits vom dem althochdeutschen Adjektiv „līhti“ abgeleitet ist, hat nicht nur den Sinn von „leicht“ als Gegensatz zu „schwer“, sondern auch die Bedeutung vom „bekömmlich, schnell, unbeschwert, heiter“. Leicht ist also in der Regel schon im Wortsinn mit heiter und schnell verbunden.

Das Gegenteil von leicht zu tun, …

Was aber empfinden Menschen denn üblicherweise als schwer? Dazu gehört zum Beispiel, daß Menschen es als schwierig empfinden, alles zu hinterfragen, oder zu 100% ehrlich zu sein, unentgeltlich für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten oder – traurigerweise – um Hilfe zu bitten, aber auch mehr zu lesen und das Smartphone in der Tasche zu lassen (noch mehr Beispiele hier:). Und schon sind wir wieder bei Freiheit, denn immer alles zu hinterfragen oder zu 100% ehrlich zu sein, macht dich nicht unbedingt überall beliebt. Unentgeltlich für eine gemeinnützige Organisation zu arbeiten ist vielleicht ein Herzenswunsch, aber du hast Angst vor existentieller Unsicherheit. Das Smartphone in der Tasche zu lassen – womöglich noch über Tage – bringt dich vielleicht in Schwierigkeiten mit deinen Freunden und Verwandten. Du siehst, die Entscheidung für die Leichtigkeit ist oft nur zu haben, wenn du dich frei fühlst, diese Entscheidung treffen zu können.

…das Gegenteil von leicht zu ertragen.

Was, wenn man die Menschen danach fragt, was für sie schwer zu ertragen ist? Geliebte Menschen zu verlieren oder loszulassen, eine Sucht zu überwinden, ein Kind aufzuziehen, jemandem wieder zu vertrauen, wenn man enttäuscht wurde, oder weiterzugehen, wieder aufzustehen, nachdem man einen Fehler gemacht oder eine Niederlage erlitten hat. Und wieder spielen Angst und Unfreiheit oder Mut und Freiheit eine Rolle für die Entscheidung. Eine Entscheidung, die mit dem eigenen Selbstbild zu tun hat, sich seiner selbst sicher zu sein, nicht abhängig von der Liebe anderer oder einer Droge, Trennungen nicht als Wertungen der eigenen Persönlichkeit zu betrachten und die Stärke in sich zu finden, den eigenen Weg zu gehen.

Wie sehr die Freiheit die Leichtigkeit beeinflußt:

Nicht immer wirst du beliebt und im Fluß mit der Mehrheit sein, wenn du dich für Freiheit und Leichtigkeit entscheidest. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, daß ein solches Verhalten schnell als schwierig empfunden wird.

Es sind nicht nämlich nicht nur die Psychopathen und Narzissten, die der Mensch als schwierig empfindet, sondern nach meiner Wahrnehmung vor allem Menschen, die sich nicht so verhalten wie erwünscht, die nicht den Erwartungen des Mainstreams entsprechen, die vielleicht den anderen den Spiegel vorhalten. Menschen, die ungeachtet der Ideale ihrer Gesellschaft wagen, ihren eigenen Weg zu gehen, andere Klamotten zu tragen, andere Bücher zu lesen, nicht nach Heim und Hof streben, sondern die Welt durchstreifen oder in abgelegenen Ecken unseres Planeten ihre eigene Existenz überdenken. Aber auch Menschen, die im Büroalltag weiter denken als für die aktuelle Entscheidung gefragt ist, die sich mit Leichtigkeit über Hierarchiegrenzen hinwegsetzen.  Schon gar nicht in der heutigen „woken“ Zeit schätzt man Menschen, die ihre Meinung geradeheraus sagen und sich auch im Nachgang nicht meinen dafür entschuldigen und sich davon distanzieren zu müssen.

Irgendwie kein Wunder, daß gerade das Querdenken – eine so wichtige Eigenschaft und Voraussetzung für jede Kreativität – in den vergangenen Corona-Jahren so verteufelt und abgeurteilt wurde. Denn natürlich neigen gerade anders denkende Menschen dazu, die Orientierung auf das Gemeinwohl und die darauf orientierten Strukturen des Staates zu hinterfragen.

Mein Resümee: frei und leicht in das neue Jahr

Für mich ist dieses Resümee des vergangenen Jahres Ansporn, dabei zu bleiben, „quer“ zu denken, zu hinterfragen und zu zweifeln, denn wie schon Aristoteles sagte: „Wer Recht erkennen will, muß zuvor in der richtigen Weise gezweifelt haben.“ Ich glaube nach wie vor, daß unsere Welt Vertreter unserer Art benötigt, die versuchen, das ganze Bild zu sehen – was ich natürlich auch nicht kann, weil ich keine KI bin. Aber der Versuch, einzelne Entscheidungen im Blick auf das große Ganze zu sehen, ist für mich schon immer wichtig gewesen.

Mein Fokusthema „Angst“ lehrt mich das im Übrigen jeden Tag aufs Neue, denn die Ängste eines Menschen können von so vielen Faktoren herrühren – sie können körperlich bedingt sein, sie können mit Glaubenssätzen aus ihrer Kindheit zusammenhängen, die sie noch immer zu für sie schädlichen Verhalten zwingen, sie können von einer Mißachtung eines seelischen Bedürfnisses herrühren oder auch durch Verhaltensweisen der Gesellschaft getriggert sein. Nur wenn es mir gelingt, den Menschen in dieser komplexen Verbundenheit von Körper – Geist – Seele – Umfeld zu sehen, kann ich die eigentliche Ursache finden. Dazu brauche ich viel Wissen – möglichst auch strittige Theorien -, einen offenen Geist, Skepsis und viele Fragen. Und auch, wenn mich das für manche Menschen anstrengend macht, ist das mein Weg, auf dem ich mit mir im Reinen sein kann.

Und nun wünsche ich Dir viel Erfolg auf deinem Weg in das uns bevorstehende neue Jahr und viel Freiheit und Leichtigkeit bei den Entscheidungen, die in deinem Leben anstehen,

Deine Claudia

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