Ein Satz von Carl Gustav Jung, der derzeit über so ziemlich jeder Diskussion stehen könnte. So auch über den Debatten zum Thema Spiritualität.

Das mußte ich zu meinem Erstaunen feststellen, als ich – nachdem mein letzter Blog von einigen Kommentatoren als „Frauenthema“ bezeichnet wurde – ein paar weitere Recherchen dazu anstellte.

Schnell stellte sich heraus, daß es sich eher weniger um eine faktenbasierte Auseinandersetzung mit dem Thema handelte. Grundsätzlich einig ist man sich in der Verurteilung der Spiritualität, bezeichnet meist als „Esoterik“, wobei von der christlich-konservativen Seite angstvoll festgestellt wird, daß Frauen sich zunehmend von der traditionellen Religion abwenden, von der „Wissenschaftsbasierten“ grünen (und woken) Fraktion wird die Angst vor der Spiritualität der Frauen in eine Sorge um eine Gesellschaft umgemünzt, die dann von Scharlatanen beherrscht würde und in der – furchtbarerweise – die Frauen ihre Weiblichkeit wieder entdecken.

Kostproben – der aus meiner Sicht klar unter der Gürtellinie angesiedelten – Texten gefällig?

„Die esoterische Ideologie wertet das leibliche, das materielle Leben völlig ab und hat kein Interesse an realen Frauenerfahrungen in ihrer Widersprüchlichkeit und Verschiedenheit. Statt Einfluss und Gestaltungsmöglichkeit über den bisherigen familiären Kreis hinaus zu gewinnen, bekommt frau eine Art Beschäftigungstherapie, bzw. Spielzeug und Spielkameraden angeboten für magische, mantische, therapeutische und andere Spielchen, die sie immer weiter von ihren realen Problemen und ihrem realen Umfeld entfremden und dort immer handlungsunfähiger machen.“ (hier:),

„Aber nähme man versuchsweise einmal an, diese Prämissen wären richtig, würde dadurch wirklich erklärt, daß für die zahlreichen Anhängerinnen dieser häufig wirklich komplett bescheuerten und zum Teil (s.o.) nahe am klinischen Wahnsinn rangierenden Konzepte deren (leicht nachprüfbarer) Wahrheitsgehalt bzw. Realitätsbezug nicht einmal mehr die geringste Rolle zu spielen scheint? Ginge also die Verachtung für die und sei sie trist und trostlos gefundene Realität aber auch eine rationale Realitätsbewältigung so weit, daß bei richtig Eingefleischten kein noch so hohes Maß an Absurdität mehr Zweifel hervorzurufen imstande ist? Wenn das so ist, dann stellt das in meinen Augen eine nicht geringe Gefahr dar.“ (Cornelius Courts, Warum befällt Esoterik vor allem Frauen, in ScieneBlog, 2012 – (hier:)

Und in den bekannten Medien:

Die Taz betitelt den Artikel von Aylin Braunewell mit“ Sexismus in der Esoterik: Der kollektive Schmerzkörper. In der Esoterik finden Frauen Rat zu schöpferischer Kraft, Menstruationspartys und anderen Traumvorstellungen. Sexismus ist dabei stark verbreitet.“ Schließlich, so endet die Autorin, solle jede menstruierende Person (also jede Frau, weil wer sonst menstruiert wohl?) selbst entscheiden können, was sie während der Menstruation tun wolle.“  (hier:)

Diese Beispiele sind nur die mit dem verächtlichsten Tenor – es gibt noch sehr viel mehr, die dem Narrativ folgen: z.B.: Esoterik ist dumm, hilft niemandem, und macht unglücklich. (hier: )

Nicht überraschend in der heutigen polarisierenden Zeit ist, daß spirituelle Menschen schnell in die Ecke mit den Verschwörungstheoretikern (hier) oder den Rechten (und hier.) zugeordnet werden.

Okay, dann laß uns mal schauen, was da so dran ist.

Wenden sich überwiegend Frauen der Spiritualität zu?

Eine schwierige Frage, da die Faktenlage nicht allzu viel dazu hergibt. Allenfalls kann eine Untersuchung in der Schweiz herangezogen werden, die mehr Frauen einen Glauben an Wiedergeburt, Heilung durch Engel oder kosmische Energien bescheinigt (16% : 4% der Männer).

Das unterschiedliche Verhältnis scheint es jedoch auch in der sich als religiös verortenden Bevölkerung zu geben, denn in einer Untersuchung des Bundesamtes für politische Bildung (Quelle ) wird festgestellt, daß auch bei religiösen Menschen in Europa die Frauen mit 55% über den Männern mit 47% lagen.

Viel interessanter fand ich an dieser Stelle, daß es ein großes Gefälle hinsichtlich der Spiritualität in Europa gibt. Die katholischen und christlich-orthodoxen Länder sind – mit 60 – 75% – eher religiös eingestellt, Deutschland liegt so in der Mitte mit 44% religiösen und 25% spirituellen Menschen. Am Ende der Skala stehen dann die nordischen Länder mit einer Rate von weniger als 25% religiösen, aber fast 50% spirituellen Menschen.

Wenn es also ein Mißverhältnis zwischen Männern und Frauen hinsichtlich ihrer spirituellen Neigung gibt, konzentriert sich das wegen der Übermacht der Religion in Südeuropa, aber auch in Afrika und den arabischen Ländern vor allem auf das protestantisch geprägte Westeuropa.

Empirische Belege sind für diese Unterschiede und ihre Gründe schwer aufzufinden. Solltest du zufällig über Studien hierzu stolpern, freue ich mich, wenn du mir diese zukommen läßt.

Welche Gründe könnte es für Frauen geben, sich abseits von Atheismus und Religion spirituellen Praktiken zuzuwenden?

Ablehnung der männlichen Dominanz in den monotheistischen Religionen

Das wäre eine sehr gute Begründung, wenn nicht gerade in Judentum, katholischem und orthodoxen Christentum wie auch im Islam die Zahl der spirituellen Frauen eher zu vernachlässigen ist. Eher könnte man davon ausgehen, daß die sich auch Frauen in der Kirchenhierarchie öffnende protestantische Kirche Wege für eine individuelle seelische Entwicklung der Frauen (und offenbar ebenso der Männer) aufgezeigt hat, ohne sie mit dem eigenen Glaubensmodell belegen zu können. Auch die Grundannahme der protestantischen Religion, daß der Mensch durch seiner Hände Arbeit und seine Leistung sein Leben bestimmt, bietet sicher eine bessere Grundlage als die schicksalsbetonte katholische Variante.

Damit fällt auch die Idee weg, daß Frauen nicht mehr auf einen männlichen Vermittler zwischen ihr und ihrer Gottheit angewiesen sind. Da auch viele sogenannte „spirituelle“ Gurus männlich sind, wäre dieser Grund ohnehin nur für die spirituellen Richtungen, die sich explizit an Frauen wenden, anwendbar.

Einstieg über die Naturheilkunde

Hier kann ich zumindest aus meinem persönlichen Erleben sagen, daß es sehr gut möglich ist, daß gerade Frauen, die Mütter sind und ihre Kinder durch die Schulmedizin nicht gut versorgt finden, sich anderen Heilmethoden und über diese anderen Denkmodellen öffnen.

Mein persönlicher Weg begann tatsächlich mit einer in 14tägigem Rhythmus wiederkehrenden Bindehautentzündung meiner damals wenige Monate alten Tochter. Eine ehemalige Kollegin meiner Mutter (Historikerin wie meine Mutter und ich) hatte sich nach der Wende entschieden, Heilpraktikerin zu werden. Sie gab mir damals ein homöopathisches Mittel für mein Kind, daß auf eine frühere Erkrankung von mir zurückverwies. Skeptisch habe ich meiner Tochter die Globuli eingeflößt und dann 36 Stunden Blut und Wasser geschwitzt, weil meine Tochter wenige Stunden nach der Einnahme ein Fieber nahe der 40° entwickelte. Nach anderthalb Tagen war der Spuk vorbei und die Bindehautentzündung kehrte nie wieder.

Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine skeptische und streng atheistisch erzogene Person wie mich bedeutete. Ich habe mich dann mit den Grundlagen der Homöopathie befaßt und bin darüber auf die Themen Energie, Quantenphysik und Spiritualität gekommen. Heute würde ich mich auch unter dem Hashtag sbnr (spiritual but not religious) einordnen.

Die Rolle von Sexualität und Menstruation in vielen spirituellen Richtungen

Die reine Frauenwelt der Menstruation hat höchstens als Zeit der Unreinheit Eingang in die großen Religionen gefunden. Sie spielt aber für die Frauen selbst eine große Rolle in ihrer Sexualität und auch in ihrem hormonellen Gleichgewicht und damit ihrem täglichen Leben. Die Wertschätzung dieser – oft auch als leidvoll empfundenen – Zeit im Leben wirkt mit Sicherheit auf viele Frauen anziehend. Gerade diese Richtungen sind naturgemäß für Männer nicht so interessant, obwohl die damit im Zusammenhang stehende sexuelle Befreiung vieler Frauen für sie dann vermutlich wieder interessant sein dürfte 😉. Sexuelle Befreiung an sich ist auch ein für viele Frauen anziehendes Thema, denn noch immer ist freie Sexualität von Frauen nicht genauso frei wie die von Männern. Selbst in der Altersgruppe meiner Tochter (Gen Z) gelten Frauen mit häufig wechselnden Sexpartnern schnell mal als Hure, während Männer mit derselben Anzahl cool sind.

Die Einbindung in die Natur und die Rückbesinnung auf altes Frauenwissen

Das von Frau Braunewell oben als sexistisch verteufelte alte Heilwissen von Frauen wirkt natürlich auf viele Frauen anziehend. Dieses mit Geburt und Tod zusammenhängende Wissen, für das Tausende Frauen verbrannt wurden, als Heimchen-am-Herd-Attitüde abzutun, bedarf schon ziemlicher Verleugnung historischer Entwicklungen. Dieses Wissen steht in engem Zusammenhang mit dem Thema der Sexualität und Menstruation sowie dem Heilen der Kinder, die der Obhut der Frauen oblagen.

Oft wird gerade in solchen spirituellen, auf Frauen konzentrierten Modellen eine weibliche Solidarität und eine Zugehörigkeit empfunden, die im realen Leben mangels weiblicher Initiationsriten und Mysterienkulte (die es historisch über Jahrtausende gab) nicht mehr existieren.

Breiter gefächerte Lebensmodelle

Auch dieser Punkt hängt noch immer mit den vorgenannten beiden Punkten zusammen. Eine befreite und freudvolle Sexualität bedarf gegebenenfalls eines anderen Familienmodells als die traditionelle monogame lebenslange Ehe. Bisexualität, Polyarmorie und offene Beziehungen sind hier die Stichworte. Gleichzeitig stellen sie die Verbindung zu den auch für Männer interessanten Gründen her, sich spirituellen Lebensmodellen zuzuwenden, denn auch sie sind – wenn auch nicht so stark – durch die Scham- und schuldbeladenen Vorstellungen über „anständige“ Sexualität und gewünschte Lebensgestaltung gefangen. Daß sich mehr Frauen davon angezogen fühlen könnten, hat sicher auch etwas mit der noch immer üblichen Konzentration auf die Familie zu tun, die sie hinsichtlich ihrer eigenen Individualität deutlich stärker einschränkt.

Spiritualität zählt oft auf Gefühl, Intuition und Ganzheit

Ob das ein Grund ist, der mehr Frauen für spirituelle Welten interessiert, mag ich nicht glauben – denn ebenso ist das in allen religiösen Schriften und Predigten gelebte Praxis. Ob die auch in der Religion zahlenmäßig geringer vertretenen Männer darin den Grund für ihren Rückzug sehen, halte ich eher für unwahrscheinlich. Eher denke ich, daß es in unserer heutigen Welt Männern oft wichtiger erscheint, sich auf weltliche, praktische und nützliche Themen zu konzentrieren.

Erleben von Macht in einer Welt, in der sich Männer und Frauen machtlos fühlen

Die Überzeugung, mit der eigenen Energie, mit der eigenen Meditation, mit der eigenen positiven Lebenseinstellung die Welt verändern zu können, mag gerade in Zeiten der VUCA-Welt (siehe mein letzter Blog), in denen der Einzelne sich komplett machtlos fühlt, Menschen beider Geschlechter motivieren, sich spirituellen Themen zuzuwenden. Eine Studie der Universität von Iowa belegt, daß transzendentale gemeinsame Meditation von knapp 2.000 Menschen die Stimmung in der betreffenden Gemeinde so beruhigt hat, daß die Kriminalitätsrate um ca. 20% gesenkt wurde (Quelle ). Also nehmen diese Menschen die Macht in die Hand, die Welt zum Guten zu verändern.

Spiritualität für Männer

Daß, anders als von den eingangs erwähnten Autoren postuliert, zahlreiche Männer im spirituellen Bereich unterwegs sind, kann man an den vielen auch männlichen Autoren und spirituellen Führern sehen. Dr. Joe Dispenza, Deepak Chopra, Eckhart Tolle, Dawson Church, Gregg Braden, Bruce Lipton, um nur einige zu nennen. Richtig ist, daß viele dieser Lehrer aus der Wissenschaft kommen, Medizin oder Biologie oder Physik studiert haben. Jedoch sind sie in keiner Weise die Männer mit dem weißen Kittel und den ominösen Apparaten, sondern tiefspirituelle Menschen mit einer langjährigen Meditationspraxis. Allerdings finde ich es schon schade, daß auf der Liste der 100 spirituell einflußreichsten Persönlichkeiten (Quelle) kein einziger Deutscher und nur gerade 20 Frauen stehen. Also ja, auch hier verstehen es die Männer  – mal wieder – ihnen am Herzen liegende Themen besser zu verkaufen.

In einem interessanten – wieder aus dem Umfeld der Kirche stammenden – Papier (hier: ) wird auch konstatiert, daß sich die Männer zunehmend aus der Religion verabschieden, und sich ebenfalls neuen Erfahrungen und Wahrnehmungen öffnen, ohne daß hier in der gleichen Weise wie bei den Frauen von einer „Respiritualisierung“ gesprochen werden kann. Die Studie erkennt, daß auch Männer abseits von der realen Welt nach Wiederbegegnung mit der Natur und auch nach Transzendenz suchen. Sie sieht darin eindeutig eine Art „Gegenwelt“. Etwas, was aus meiner Sicht sehr gut zu dem immer unklareren Rollenverständnis der Männer unserer Zeit paßt (siehe mein Blog über Männer).

Also:

Wir können festhalten, daß es zwar in einem gewissen Umfang höheres Interesse von Frauen an Spiritualität gibt, jedoch viele der Gründe für eine zunehmende Orientierung Richtung Spiritualität ebenso für die Männer gelten.

Was sind die Gründe für die Ressentiments gegenüber der Spiritualität und ihren Anhängern?

Du mußt nur positiv denken!

Dieser Glaubenssatz stößt erstens die vor den Kopf, die sich mit großer Anstrengung immer wieder aus den dunklen Tiefen befreien und diese Tiefen auch benennen wollen. Das geht bis zu einem Gefühl von Schuld, daß man sich selbst in diese Situation gebracht hat, weil man nicht positiv genug war.

Wie ich schon in meinem letzten Artikel schrieb, ist ein Anzeichen der Suche nach echter Spiritualität jedoch „die dunkle Nacht der Seele“, die erst überwunden werden muß. Damit stellt Spiritualität im Gegenteil zum dem ewigen Positivismus klar, daß der Mensch sich aktiv mit den Schwierigkeiten, die in seinem Leben vorkommen, auseinandersetzen muß. Hilfreich ist dabei natürlich eine positive Grundhaltung, die davon ausgeht, daß tatsächlich irgendwann „Licht am Ende des Tunnels“ ist.

Spiritualität erscheint regellos und ohne festes Commitment

Gerade die Ungezwungenheit, die vielen spirituellen Richtungen eigen ist, ist auch dazu geeignet, ein „Spiritualitäts-hopping“ zu betreiben. Wird es irgendwo zu anstrengend, sucht man sich einfach eine neue, aufregendere und weniger auf Selbstreflexion setzende Gruppierung.

Daß es sich bei Menschen dieser Ausrichtung um spirituell Suchende handeln kann, will ich nicht bezweifeln, auch weil gerade der Weg in die Spiritualität mit jeder Menge Zweifel und Skepsis, mit Stehenbleiben und Zurückgehen und wieder neu starten verbunden ist. Doch hat man die Richtung erst einmal erkannt, bleiben viele der Menschen dabei, um ihre Seele in Verbindung mit dem Universum zu bringen. Dafür ist dann schon eine Menge Commitment erforderlich, schon weil – siehe den Beginn des Artikels – die Umwelt nicht unbedingt so viel Verständnis dafür aufbringt.

Spiritualität erscheint sehr egozentrisch

Die mit der spirituellen Suche verbundene Selbstreflexion wie auch der Rückzug aus sozialen und familiären Verpflichtungen kann im Umfeld als sehr egozentrisch gewertet werden – und ist es manchmal auch, wenn der Hintergrund eher die Konzentration auf das eigene Wohlgefühl und die eigene Komfortzone und nicht die anstrengende Suche nach dem höheren Selbst ist.

Probleme mit kultureller Aneignung

Und auch wenn ich diese oft überzogenen Diskussionen über kulturelle Aneignungen oft nur als Bestandteil der sich mittlerweile offenbar etablierten „cancel culture“ erlebe, muß ich doch zugeben, daß gerade im Bereich der Spiritualität Menschen unterwegs sind, die mit marginalen Kenntnissen über das spirituelle Wissen indigener Völker glauben sich Schamanen nennen zu dürfen, ohne dabei zu verstehen, daß diese Bezeichnung oft so eng mit dem Lebensraum und der Lebenserfahrung der jeweiligen Menschen verbunden ist, daß man als westeuropäischer Städter ohne langjähriges Miterleben dieses Umfeldes einfach keine Ahnung hat, wovon man da spricht.

Rechtes Gedankengut in spiritueller Suche

Ja, es gibt unstrittig sich spirituell nennende Gruppierungen, die nationalistisches und heidnisches Gedankengut auf eine Weise vermischen, die unerfreulich nahe an nationalsozialistischen Gedanken steht.

Ich finde es nur mal wieder anstrengend, daß auch hier wieder das Kind mit dem Bade ausgegossen wird. Daß die Nazis sich auf „Mutter Erde“ besannen, rückt nicht jede spirituell suchende Frau, die sich in ihrer Energie mit der Erde verbindet, in die Ecke der Rechtsradikalen. Dasselbe gilt für weiße Hexen, für Anhänger alter druidischer Lehren und viele mehr. Nur weil die alten Nazis sich der Esoterik bedienten, sind nicht alle Esoterik-Anhänger Nazis, wie z.B. diese Buchrezension nahelegt (hier:).

Erst wenn die Ausgrenzung von Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder sexuellen Orientierung die Gruppe eint, wenn der Holocaust als Karma beschrieben wird und die Juden wieder in den Rang der weltbeherrschenden Geheimgruppierung erhoben werden, sind diese Zuordnungen angebracht.

Nach meiner persönlichen Meinung sind das aber auch keine Menschen, die sich tatsächlich auf einer spirituellen Suche befinden – hier wird Spiritualität nur als Gegenentwurf zur aktuellen Gesellschaftsform benutzt.

Welche Gründe gibt es aus meiner Sicht für die Ablehnung der Spiritualität im Mainstream?

Tief spirituelle Menschen haben kein Interesse an Konsum, Macht, Status und Reichtum. Damit sind sie für die Marktwirtschaft verloren und dürfen keinesfalls die Mehrheit der Bevölkerung stellen.

Sie stehen für eine enge Verbindung zur Natur, für Gerechtigkeit, für ein achtsames Miteinander. Damit sind sie aus meiner Sicht Vorreiter für eine – hoffentlich – kommende Gesellschaftsform abseits von Ressourcenverschwendung, Unterdrückung und Krieg. Dafür gibt es aber noch kein Konzept. Und so sind diese Menschen gefährlich, weil sie genau diese Konzeptlosigkeit überdeutlich machen, wobei sie gleichzeitig die Notwendigkeit eines Kurswechsels verkörpern.

Fazit:

Ich möchte zum Ende noch einmal den von mir so geschätzten Carl Gustav Jung zu Wort kommen lassen, dessen höchst aktuelle Worte nun schon mehr als 100 Jahre alt sind und klar machen, warum Spiritualität gerade in unserer Zeit so dringend benötigt wird:

“Mit Hilfe der Vernunft, so reden wir uns ein, haben wir die Natur besiegt. Aber das ist ein bloßes Schlagwort. Denn die bloße Eroberung der Natur hat uns die Überbevölkerung eingebracht, und unsere Schwierigkeiten werden noch vermehrt durch unsere Unfähigkeit, die notwendigen politischen Vorkehrungen zu treffen. Es bleibt für die Menschen weiterhin ganz natürlich, untereinander um den Vorrang zu streiten und zu kämpfen. Inwiefern haben wir also die Natur besiegt?

… Die Veränderung muß beim Einzelnen beginnen; jeder von uns kann dieser Einzelne sein. Niemand kann es sich leisten, einfach umherzublicken und auf jemand zu warten, der das tun soll, was man selber nicht tun will. Da aber offenbar niemand weiß, was zu tun ist, könnte es der Mühe wert sein, wenn jeder von uns zusehen würde, ob nicht sein eigenes Unbewußtes einen Ausweg kennt. Der bewußte Verstand kann in dieser Hinsicht kaum etwas Nützliches leisten; der heutige Mensch ist sich schmerzlich der Tatsache bewußt, daß weder seine großen Religionen noch seine verschiedenen philosophischen Systeme ihn mit den machtvollen, belebenden Ideen versorgen können, die ihm die Sicherheit gäben, die er angesichts der heutigen Weltlage benötigt.“ (Carl Gustav Jung u.a., Der Mensch und seine Symbole, Freiburg, 1980, S. 101)

Deine Claudia

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