Um die Stichhaltigkeit dieses Ausspruches von Horaz übre Furcht und Freiheit zu überprüfen, habe ich eine ganze Menge Fakten zusammengetragen.

Welche Begriffe rund um die Angst haben welche konkrete Bedeutung?

Emotionen und Gefühle

Bei der Suche nach den Ursprüngen ist mir klargeworden, daß die Benutzung von „Angst“ oder „Furcht“ eng mit zwei anderen Worten in Zusammenhang steht, deren Unterschiedlichkeit im allgemeinen Sprachgebrauch auch nicht mehr präsent ist. Die Rede ist von den Worten „Emotion“ und „Gefühl“ – denn Angst wird manchmal als Gefühl, manchmal als Emotion beschrieben.

Dabei gibt es tatsächlich einen grundlegenden Bedeutungsunterschied. Denn Emotionen sind die Reaktionen auf unsere Umwelt, die in der Amygdala und den anderen Bereichen des limbischen Systems entstehen. (Siehe hierzu meinen Blog über Angst und Gehirn.) Diese biochemischen Reaktionen sind die unserer Species angeborenen Fähigkeiten zur Reaktion auf konkrete Situationen. Sie sind physisch und instinktiv und gehen den Gefühlen voraus. Gefühle hingegen entstehen in den neueren Bereichen unseres Gehirns, in denen die rationale Verarbeitung gewonnener Eindrücke stattfindet. Sie sind die Reaktionen auf die Emotionen und werden stark von den persönlichen Erfahrungen jedes Einzelnen beeinflußt.

Die Reihenfolge eines Ereignisses ist also: ich werde bedroht (Emotion) und empfinde Angst (Gefühl). Letzteres kann ich dann auch ausdrücken.

Angst, Furcht oder Phobie

Nach meiner Wahrnehmung wird das Wort „Furcht“ gar nicht mehr, das Verb „fürchten“ noch manchmal benutzt. Doch der überwiegende Teil der Menschen benutzt das Wort „Angst“ und „Angst haben“.

Vielleicht fragst du dich jetzt, ob es zwischen diesen Worten überhaupt einen Unterschied gibt. Ich bin der Frage mal nachgegangen.

Wortherkunft

Interessanterweise hat das Wort „Angst“ etwas mit „Enge“ zu tun. Es ist offenbar aus dem indogermanischen „anghu“ (beengend) abgeleitet und steht damit auch mit den lateinischen Begriffen „angustia“ (Enge, Bedrängnis) und „angor“ (würgen) in Verbindung. Das Wort „Furcht hingegen kommt aus dem germanischen „furhta“ für furchtsam. Interessant fand ich das deshalb, weil nach meinem Wortverständnis in der ursprünglichen Begriffsbedeutung eher Angst auf etwas Konkretes und Furcht auf etwas Unkonkretes hinweist.

Heutige Bedeutung

In der heutigen Diskussion findest du die Erklärungen eher andersherum. Furcht fokussiert sich auf etwas Konkretes (weswegen es eigentlich z.B. Höhenfurcht heißen müßte). Angst ist ein eher vages, unspezifisches Gefühl einer Bedrohung. Eine Phobie ist eine übermäßige Furcht und wird daher oft für die Bezeichnung von psychischen Störungen benutzt.

In allen Fällen geht die Emotion – sich bedroht fühlen – dem Gefühl voraus. Daher entstehen – egal, ob Angst oder Furcht – auch die gleichen körperlichen Reaktionen wie Schweißausbrüche und Herzrasen, nur in unterschiedlichem Ausmaß.

Angst, Furcht und Phobie können nicht nur als Gefühl ausgedrückt werden, sondern das Gefühl wird zudem im Rahmen der bereits gemachten Erfahrungen bewertet und abgespeichert. So entsteht dann die Angst vor der Angst. Diese ist also anders als die der eigentlichen Angst zugrunde liegende Emotion erst ein Gefühl und löst über die mentale Vorstellung einer Bedrohung die entsprechenden Reaktionen in der Amygdala und damit die Emotion aus. Das erklärt auch, warum sich irrationale Ängste zu verstärken und zu verselbständigen drohen.

Um die Wahrheit meines Blogtitels auszuloten, müssen wir uns erst einmal die Frage stellen, inwieweit wir uns überhaupt von Ängsten befreien können. Sind wir ihnen vielleicht auf Grund von Gendefekten ausgeliefert?

Welche Rolle spielen Genetik und Epigenetik im Hinblick auf Angsterkrankungen?

Genetische Ursachen für Angsterkrankungen

Nein, denn Angsterkrankungen haben nur ein mäßiges genetischen Risiko (eine Vererbbarkeit von etwa 30 %). Dabei ergibt sich auch mit Hinblick auf die Gene wieder ein enger Zusammenhang mit der Depression, den ich auch in der therapeutischen Arbeit immer wieder feststelle. Depression und Angst kommen zu großen Teilen gemeinsam vor.  Entweder, weil aus der permanenten Angst eine Depression entsteht, oder weil die Depression zu Ängsten führt.

Forscher haben unsere Gene auch im Hinblick auf bestimmte Persönlichkeitsmerkmale unter die Lupe genommen. Dabei haben sie festgestellt, daß es gerade zwischen Angst und der Ausprägung eines als Neurotizismus (hierzu mehr weiter unten) bezeichneten Verhaltenskomplexes viele genetische Übereinstimmungen gibt.

Spannend finde ich, daß einige der in Verdacht stehenden Gene für Angsterkrankungen auf dem Chromosom 8 liegen. Das ist ein Chromosom mit vergleichsweise wenigen Genen, aber an einem seiner Enden liegt ein Abschnitt, der sich in unserer Entwicklung besonders schnell und deutlich verändert hat. Dort liegen zum einen ein großer Teil unserer Gene, die für die Immunabwehr wichtig sind, zum anderen aber auch zahlreiche Gene zur neuronalen Vermittlung. Also Gene, die unser Überleben besonders beeinflußt haben. Möglicherweise ist das ein Hinweis auf sich verändernde Ängste in unserer Entwicklung.

Am wichtigsten für die Begünstigung einer Angsterkrankung scheinen jedoch Gene zu sein, die für die Empfänglichkeit bestimmter Neurotransmitter, vor allem Serotonin (5-HTT, 5-HT1A, MAOA) oder der Aminosäure Glycin (GLRB) verantwortlich sind (Quelle).

Epigenetische Ursachen für Angsterkrankungen

Viel wichtiger als die genetischen scheinen die epigenetischen Ursachen für Angsterkrankungen zu sein. Ein relevanter Einfluß durch Traumata manifestiert sich nämlich nicht nur in der jeweiligen Person, sondern auch in späteren Generationen.

So hat man Menschen untersucht, die gesellschaftliche Traumata (Kriege, Terrorismus, Völkermord) erlitten. Noch heute findet man nachgewiesenermaßen – erkennbar an der Veränderung der DNA – den Einfluß dieser Schrecken auf die Kinder und Enkel der Kriegsgenerationen. Bei Studien zu Folgen des 11. Septembers zeigten sich bis zu 25 Gene von diesen Veränderungen betroffen. Besonders wichtig scheint hier das Gen FKPB5, das für die Cortisolsynthese verantwortlich ist. Die Folge ist, daß Menschen die Cortisolausschüttung nicht mehr korrekt regulieren und so auf Streß nicht mehr angemessen reagieren können.

Auch die Kinder von Frauen, die das Massaker der Hutu an den Tutsi in Ruanda überlebt haben, zeigten die wie die Mütter selbst epigenetische Veränderungen.

In Mäuseversuchen konnte man aber immerhin zeigen, daß diese epigenetisch bedingten Ängste reversibel sein könnten. Mäusekinder mit epigenetischen Veränderungen normalisierten ihr Verhalten unter sehr guten Lebensbedingungen und gaben die Veränderung auch nicht mehr an ihre Nachkommen weiter. Quelle

Welche durch den Einzelnen schwer beeinflußbaren Rahmenbedingungen für die Entwicklung von Ängsten müssen wir noch berücksichtigen?

Umweltkatastrophen, Pandemien …

Auch die Auswirkungen von Umwelt-Katastrophen kann man an der psychischen Gesundheit der Betroffenen erkennen. So erkrankten nach der Exxon-Valdez-Ölkatastrophe in Alaska 1989 20 Prozent der betroffenen Bewohner an einer generalisierten Angststörung.

Aktuell hat vor allem die Corona-Situation deutliche Spuren in der Entwicklung von Ängsten, gerade bei Kindern und Jugendlichen, hervorgebracht. So sind die Trauma-Symptome von Kindern zwischen 3 und 12 Jahren Ende 2020 im Vergleich mit der ersten Corona-Welle Anfang 2020 um 60 (!) % gestiegen. Dabei zeigen 15% (im Vergleich zu 3% im März 2020) klinisch relevante Traumasymptome. Probleme mit Aufmerksamkeit stiegen im gleichen Zeitraum um 45%, die körperlichen Probleme wie Bauchschmerzen oder Schlafstörungen sogar um 100%. Die Ängste resultieren vor allem aus der gefühlten Einsamkeit sowie der Angst vor der Zukunft, aber auch aus den – oft aus dem Elternhaus stammenden – finanziellen Sorgen.

Auch körperliche Erkrankungen, die in Folge Auswirkungen auf das Selbstwertgefühl und damit auf die Entstehung von Angsterkrankungen haben, sind massiv gestiegen. Ein Bericht der DAK stellt fest, daß 60% mehr (!) Kinder und Jugendliche mit Adipositas behandelt wurden, 30% mehr mit Untergewicht und 10% mehr mit Eßstörungen wie Bulimie und Magersucht. (Quelle)

Angeborene Persönlichkeitsstrukturen

Neurotizismus ist ein Begriff der Psychologie und bezeichnet einen der fünf Hauptverhaltenskomplexe von Persönlichkeiten. Die anderen sind Offenheit, Verträglichkeit, Extraversion und Gewissenhaftigkeit. (Einen sehr schönen Test gibt hier:.) Neurotizismus ist gekennzeichnet durch Nervosität, Launenhaftigkeit, Unsicherheit, Traurigkeit und viele Klagen. Auch bei anderen Einteilungen von Persönlichkeiten (z.B. nach den Grundformen der Angst nach Riemann) gibt es bestimmte Eigenschaften, die die Möglichkeit einer Angsterkrankung erhöhen. (Wie sehr deine Persönlichkeitsstruktur mit diesen Ängsten zusammenhängen könnte, kannst du in meinem Fragebogen für dich austesten.) Allen gemeinsam ist die Unfähigkeit zum Nein-Sagen, mit der ich mich bereits – vor allem in bezug auf meine weiblichen Klienten – hier auseinandergesetzt habe.

Mißbrauch und Mißhandlungen

Körperliche Mißhandlungen, sexueller Mißbrauch und Vernachlässigung können nachweisbar zu physischen und/oder psychischen Krankheiten im Erwachsenenalter führen. Die dadurch verursachten Veränderungen in der Struktur des Hirns verursachen Störungen in der Regulierung der Emotionen und des Verhaltens. Die Zahl ist – vermutlich durch Corona und die dadurch bedingte Einschränkung von Ausweichmöglichkeiten  – 2020 im Vergleich zu 2019 deutlich gestiegen und ist damit die höchste Zahl seit 10 Jahren. Es gab 2019 15.700 angezeigte Fälle sexuellen Mißbrauchs, 2020 bereits 16.700. Dabei liegt die Dunkelziffer um das 15 bis 30fache höher (Schätzungen sind sehr schwierig). 12% der Erwachsenen in Deutschland haben in ihrem Leben Erfahrung mit sexualisierter Gewalt gemacht, doch auch hier liegt die Dunkelziffer deutlich höher.

Das sind schon recht viele Gründe für Ängste, die Horaz mit seinem Ausspruch aber nicht gemeint haben kann. Wie sieht es denn mit den Ängsten aus, die uns in der Evolution vorangebracht haben? Und welche könnten das sein?

Die „normalen“ – evolutionsbiologisch bedingten Ängste des Menschen

Es gibt 6 Ängste (vielleicht ist die Pluralbildung der Grund, daß wir dafür nicht das Wort Furcht benutzen, obwohl es inhaltlich richtiger wäre), die evolutionär sinnvoll waren (und sind).

Akrophobie (Furcht vor Höhe)

So führte die Entwicklung zum aufrechten Gehen zu deutlich größeren Unsicherheiten im Stand, als sie bei vierfüßig laufenden Primaten der Fall sind. Dadurch mußten unsere Vorfahren möglicherweise lernen, sich vor Höhen in Acht zu nehmen. Die heute noch recht verbreitete Höhenangst (Akrophobie) war die Folge.

Soziale Phobie (Furcht vor Menschen)

Wir haben ebenfalls gelernt, daß Fremde möglicherweise nicht freundlich sind, daß aber auch die Gruppe, zu der wir gehören, wenn sie ihre Aufmerksamkeit speziell auf uns richtet, vielleicht nicht nur Gutes im Sinn hat. Historisch sind Menschen, die aus dem Rahmen der Gruppe fielen, oft verstoßen worden. So erklärt sich die immer noch verbreitete Sozialphobie, deren normale Basis bei Kindern als „Fremdeln“ auftritt. Dabei kann man beide Aspekte beobachten – die Angst vor fremden Menschen, aber auch die Angst, die auftritt, wenn sie bemerken, daß sie auf einmal im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.

Agora- und Klaustrophobie (Furcht vor freien Plätzen oder Enge)

Die Menschen waren in alten Zeiten auf offenen Flächen durch Fremde und Raubtiere gefährdeter als im Wald. Im Wald oder in der Höhle in die Ecke gedrängt zu werden, war die andere große Gefahr. Agora- und Klaustrophobie sind uns daher bis heute erhalten geblieben.

Nyktophobie (Furcht vor dem Dunkel)

Als Lebewesen, die im Dunkeln nicht gut sehen, und mit Räubern im Umfeld, die das sehr wohl konnten, war das Dunkel und die Nacht sehr gefährlich. Und so leiden noch heute sehr viele Menschen an Nyktophobie.

Arachnophobie, Entomophobie, Kynophobie (Furcht vor Spinnen, Insekten, Hunden)

Es gab und gibt bestimmte besonders gefährliche Tiere, die uns in unserer Entwicklung in den unterschiedlichsten Formen begegne(te)n – giftige Insekten, Spinnen und Schlangen sowie im Rudel jagende hundeähnliche Tiere. Bekannt sind heute vor allem die Arachnophobie, die Entomophobie und die Kynophobie.

Astrophobie (Furcht vor Gewitter)

Letztlich waren plötzlichen, starken Reize – die unseren Vorfahren in der Regel als unerwartete Veränderungen in der Umwelt erschienen – selten von Vorteil. So lernten die Menschen auch das zu fürchten. Geblieben ist vielen Menschen daher die Astraphobie.

Diese Ängste haben daher eher weniger mit freien Entscheidungen und Freiheit zu tun, sondern mehr mit der existentiellen Absicherung unseres Lebens. Welche Ängste könnten denn dann gemeint sein?

Ängste, die uns heute vor allem beschäftigen

Zunächst müssen wir feststellen, daß die Deutschen tatsächlich ein besonders ängstliches Volk zu sein scheinen, wie der englische Begriff „German Angst“ bereits nahelegt. In einer Marktforschungsstudie erreichten die Deutschen auf ihre Ängste bezogen 146 von 300 möglich Punkten, die Briten nur 103 und die Niederländer sogar nur 66.

Die größten Ängste der Deutschen…

50% und mehr machen sich Sorgen um (in der Reihenfolge) Verschlechterung der Weltlage durch die Trump-Politik, steigende Lebenshaltungskosten, Kosten für die Steuerzahler in Folge der EU-Politik und eine schlechtere Wirtschaftslage. Danach folgen Ängste wegen Klimaveränderungen, Zuzug von Ausländern und Auswirkungen neuer Pandemien. Erst auf Platz 17 folgt übrigens mit 32% die Angst vor Corona.

Wenn es um persönliche Ängste geht, haben mehr als 40% der Menschen Angst, öffentlich zu reden. Die nächstfolgende Angst (nur noch 30%) ist die Angst vor Höhe, danach folgen um die 20% Geldmangel, Ungeziefer, tiefes Wasser sowie Krankheit und Tod. Nur 11% haben Angst vor Hunden und nur 8% vor Dunkelheit.

… und was sie bedeuten.

Die ursprünglichen Ängste werden immer mehr verdrängt, denn unsere Umwelt formt unsere Ängste. Unter den häufigsten 10 Phobien sind die oben genannten normalen Ängste noch immer relevant, dazu kommen aber nun die Angst vor dem Fliegen (Aviophobie), die Angst vor dem Zahnarzt (Dentalphobie), die Angst, sich zu erbrechen (Emetophobie), die Angst, zu dick oder häßlich zu sein (Dysmorphophobie) und die Angst, irgendeine nicht erkannte Krankheit zu haben (Hypochondrie). Gerade die Dysmorphophobie steigt immer weiter an – möglicherweise auch sehr viel häufiger als angenommen, weil die meisten aus Scham keine Hilfe suchen.

Besonders traurig (siehe mein Blog zu Tod) ist die Angst vor Pflegebedürftigkeit (43%). Damit ist sie deutlich höher als die Angst vor Kriminalität. Pflegebedürftigkeit bedeutet für viele die Angst vor der Abhängigkeit, vor Vernachlässigung oder sogar Gewalt in der Pflege durch fremde Menschen.

Eher seltene Ängste und Phobien

Gerade unter den außergewöhnlichen Ängsten finden wir viele, die etwas mit unserer Umwelt zu tun haben. Da hätten wir zum Beispiel die Angst vor Freitag dem 13. (Paraskavedekatriaphobie), die vor der Schwiegermutter (Pentheraphobie), die Angst vor dem Blick in den Spiegel, weil dahinter etwas Fürchterliches lauern könnte (Eisoptrophobie), die Angst vor spitzen Nadeln (Belonophobie).

Hier sei auch die Trypophobie genannt – etwas, was in letzter Zeit öfter durch die sozialen Medien ging. Dabei handelt es sich um die Angst vor unregelmäßig angeordneten Löchern, die insonderheit durch das Ansehen entsprechender Bilder befördert wird.

Andere seltene Ängste wiederum lassen einen Zusammenhang mit den oben genannten evolutionär bedingten Ängsten vermuten. So z.B. die Angst vor dem Hinsetzen (Kathisophobie), wobei es vor allem um das Stillsitzen geht, um die Angst, nicht schnell genug fliehen zu können.

Eine eher seltene Angst, die vor Clowns (Coulrophobie), hat viel mit der Unmöglichkeit zu tun, die Gesichtszüge des Clowns erkennen zu können. Damit sind auch die Gefühläußerungen wie das grelle Lachen und die seltsamen Bewegungen des Clowns nicht erklärbar. Diese Angst hängt vermutlich mit den Schwierigkeiten zusammen, die Intentionen uns fremder Menschen zu verstehen und angemessen darauf reagieren zu können.

Welche Ängste können aus Begehren entstehen, die uns dann tatsächlich unfrei machen?

Viele davon findest du in den heutigen Ängsten. Wir wollen Sicherheit und fürchten um den Standard, den wir erreicht haben – so sehr, daß die Angst vor der Mitverantwortung für die wirtschaftliche Situation anderer Länder oder die Angst vor dem Teilenmüssen mit Immigranten, die aus ärmeren Ländern der Welt kommen, uns umtreibt. Ein unwürdiger Tod und vollständige Abhängigkeit vor anderen machen uns Angst. Wir haben Angst, uns in der Öffentlichkeit zu präsentieren, dort mit unseren Schwächen (inklusive Lachen oder Erbrechen) wahrgenommen zu werden. Dabei haben wir vor allem Angst, als erfolglos, schwach oder unglücklich angesehen zu werden.

Wir haben auch Angst, unseren Wünschen nachzugehen, wenn wir damit fürchten müssen, abseits der gesellschaftlich vorgegebenen Pfade zu wandeln und von ihr ausgestoßen zu werden. Denn wir haben Angst, allein zu sein, Angst, ohne Partner zu bleiben, aber zugleich Angst vor der Gemeinheit und dem bösen Willen anderer Menschen. Wir wollen dem Schönheitsideal der Zeit entsprechen und versuchen unseren Körper unter allen Umständen diesem Ideal anzupassen. Wir lassen uns Ängsten leiten, die andere uns vorgeben, seien es Clowns oder Corona, ohne diese zu hinterfragen.

Fazit: Also ja, Horaz, du hast uns erwischt. Wir leben in Angst und sind unfrei. Und wir tun uns schwer, uns aus diesem Geflecht unserer Ängste zu befreien, auch wenn es natürlich – zum Glück – viele Möglichkeiten gibt, sich mit den eigenen Ängsten auseinanderzusetzen und Lösungsmöglichkeiten dafür zu finden. Eine Angsterkrankung ist trotz all der sie beeinflussenden Rahmenbedingungen, die du selbst in der Regel nicht kontrollieren kannst, zu verbessern und sogar zu heilen. Den unterschiedlichen Wegen dahin widme ich mich in einem der nächsten Blogs.

Bis dahin bleibe ich wie immer

Deine Claudia

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